Wandelbarer Holzhybrid
für differenzierte Ausbaustufen
Abschlussbericht zum Forschungsprojekt
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Kapitel I und II - Gesamtziel und Ergebnisse - kann hier heruntergeladen werden (PDF, 14Mb)
https://doi.org/10.13140/RG.2.2.34197.81120
Ergebnisse
(auszug aus dem Schlussbericht)
Teilvorhaben 1 – Architektur, Tragwerk, BIM-Modell
Auf der Grundlage der definierten Anforderungen und Randbedingungen (Kapitel I) konnte in interdisziplinärer Zusammenarbeit aller Beteiligter ein auf allen fünf Hierarchieebenen kreislaufeffektiver Neubau für die Nutzungen Parken, Wohnen und Arbeiten entwickelt werden. Die gewählte siebengeschossige Holzskeletttragstruktur in der Gebäudeklasse 5 bildet die Grundlage der Nutzungsflexibilität - elementiert, standardisiert und reversibel konstruiert.
Hierarchieebenen kreislaufeffektiver Neubauten
Die Kreislauffähigkeit von Neubauten lässt sich in fünf (baukonstruktive) Hierarchieebenen gliedern [G15], die beim wandelbaren Holzhybrid konsequent angewandt wurden. Diese sind:
- Die Gebäudeebene: Die Nutzungsneutralität ermöglicht Flexibilität sowie Anpassungsfähigkeit und Veränderbarkeit, sie bedeutet damit Langlebigkeit der Grundrissstruktur. Umnutzungs- und Aufstockungspotentiale im Bestand bedeuten Ressourcenerhalt sowie Einsparungen grauer Emissionen.
- Die Bauteilebene (z. Bsp. Außenwand, Geschossdecke, Innenwand etc.): Der zerstörungsfreie Rück-, bzw. Ausbau des gesamten (standardisierten) Bauteils garantiert die Wiederverwendung an anderer Stelle, in anderen Bauwerken.
- Die Bauelementebene (z. Bsp. Tragelement / Konstruktionsschicht, Fenster, Türe, Sonnenschutzelement etc.): Die standardisierte Elementierung gliedert systematisch das Bauteil und steigert die Wiederverwendbarkeit. Die Ausbaufähigkeit aus der Bauteilebene erlaubt in Abhängigkeit der tektonisch lösbaren Elementgruppen (z. B. außen- und raumseitige Bekleidung) die Anpassung an Austauschzyklen.
- Die Komponentenebene (z. Bsp. Rähm, Schwelle, Holzwerkstoffplatte, Verbindungsmittel, Elektrodose etc.): Sortenreinheit und reversible Verbindungen garantieren die Rückbaubarkeit aus der Bauelementebene und die anschließende Wieder- und Weiterverwendung der Komponenten.
- Die Materialebene (z. Bsp. Holz, Lehm, Stahl, Fasern etc.): Kreislauffähig sind Materialien wie Holz oder Lehm im biologischen Kreislauf bzw. wie Stahl und Kupfer im technischen Kreislauf. Die sortenreine Wiederverwertung (Recycling) verstärkt die Kreislaufwirkung.
Gebäudetypologie
Als Typologie bestimmend hat sich im Entwurf die Ausbaustufe Parken herausgestellt, v.a. die Gebäudetiefe wird durch diese Nutzung definiert. Die erforderliche Fahrgassenbreite beträgt 6,0 m, die Parkplatztiefe beidseitig der Fahrgasse 5,0 m, in Summe 16 m Breite. Unter Beachtung eines Bandrasters von 1,25 m und Bänderbreiten in Abhängigkeit der Innenstützen von 40/40 cm bzw. der Außenstützen von 30/40 cm ergibt sich mit dem erforderlichen Einrücken der Innenstützen infolge der Nutzung Parken nach [B4] ein Achsraster von 4,10 / 7,90 / 4,10 m (Abb. II‑3) in Querrichtung und ein Achsraster von 5,40 m in Längsrichtung.
Um den Aufwand des Rück- und Umbaus gering zu halten, wurde auf Rampenbauwerke für die Erschließung verzichtet, stattdessen ein Fahrzeugaufzugsystem gewählt. In konstruktiver Klarheit wurde das Primärbauwerk Holzhybrid (Wohnen, Arbeiten, Parken) als Holztragwerk und räumlich getrennt das Erschließungsbauwerk (Treppenhaus, Personenaufzug, Autoaufzug) als Stahlbetontragwerk entwickelt (Abb. II‑2). Die Geschosshöhe des siebengeschossigen Bauwerks beträgt einheitlich 3,60 m.
Primärtragwerk Holzhybrid
Der Skelettbau des Holztragwerks aus BauBuche ist siebengeschossig. Die Gebäudeaussteifung erfolgt in Querrichtung über vier stehende Fachwerke in den außenliegenden Seitenfeldern (Abb. II‑2). In Gebäudelängsrichtung erfolgt die Aussteifung geschossweise über die Anbindung des Primärtragwerks an das Erschließungstragwerk mit einem Lasteinleitungsbalken (siehe Abschnitt “Tragwerk Erschließungsbauwerk” und Abb. II‑3). Das Tragwerk ist auf Einzelfundamenten (Mikropfähle oder Bohrpfähle) gegründet.
Die Hauptabmessungen des Gesamttragwerks betragen:
- Tragwerksabmessungen (Achsmaße):
Länge / Breite / Höhe (OK Dachebene) = 16,10 m / 21,60 m / 25,20 m - Grundrissraster in allen Ebenen (Achsmaße):
Querrichtung: 4,10 m / 7,90 m / 4,10 m
Längsrichtung: 5,40 m
- Geschosshöhe Tragwerk in allen Ebenen: 3,60 m
mit: Ausbauhöhe Decke in allen Ebenen: 16,2 cm (Bodenaufbau), 40,6 cm (Abhangdecke),
Hohlkastendecke 27,4 cm; Gesamtdeckenaufbau 84,2 cm
mit: Lichte Raumhöhe in allen Ebenen: 2,758 m
Der Skelettbau selbst besteht neben dem Aussteifungssystem aus vier konstruktiven Grundelementen: Hohlkastendecke, Zangenträger, Stützen und Randriegel (Abb. II‑6). Sonderelemente werden an den vier Außenseiten des Bauwerks erforderlich. Die Randriegel dienen der Anbindung der reversibel gestalteten Außenwandbauteile sowie als Teil der aussteifenden Decke.
Die Hohlkastendecke lagert in Anlehnung an die Plattformbauweise auf den Zangenträgern auf. Die Zangen werden seitlich in die als Federn über den Deckenaufbau durchgehenden Stützen eingelegt und lagefixiert. Die einzelnen Geschosslasten werden dadurch über Querdruck der Zangen auf den Stützen abgeleitet. Die Stützen sind oben mit Federn und unten mit Nuten ausgebildet. Die Geschosslasten der darüberliegenden Geschosse werden so direkt über Längsdruck, also dem Hirnholzkontakt der Nuten auf den Federn, übertragen. Über alle Geschosse hinweg werden die Geschosslasten durch die übereinander angeordneten Stützen bis in die Fundamentierung abgeleitet.
Die Abmessungen der konstruktiven Grundelemente (Abb. II‑6) betragen:
- Standard Hohlkastendecke: Konstruktionshöhe = 274 mm; Spannweite (Achsmaß): 5,40 m Konstruktionsbreite: 1,80 m (entspricht der Fertigungsbreite der BauBuche-Q-Platte)
Obere Platte: 40 mm; Steg 80/200 mm; Untere Platte 40 mm - Zangenträger: 2 x 110/580 mm
- Stützen: Außenstütze 300/400 mm; Innenstütze 400/400 mm
- Randriegel: 160/640 mm
Tragwerk Erschließungsbauwerk (Fluchttreppenhaus und Autoaufzug)
Das Erschließungstragwerk ist im Forschungsprojekt als konventionelles Stahlbetontragwerk ausgeführt. In einem weiterführenden Entwicklungsschritt sollte die Erstellung als Fertigteilbauwerk aus Stahlbeton oder aus CPC-Platten (Carbon Prestressed Concrete-Platten) untersucht werden, bzw. als Holztragwerk mit acetyliertem Buchenholz [G16]. Dennoch ist das Erschließungsbauwerk mit Fluchttreppenhaus, Personenaufzug und reversibel eingebautem Autoaufzug flexibel gegenüber den untersuchten Nutzungen des Holzhybrides. Tragende Wände sind 30 cm dick, Stützen sind b/h = 40/40 cm. Das Tragwerk ist auf Einzelfundamenten (Mikropfähle oder Bohrpfähle) gegründet.
Das Erschließungsbauwerk übernimmt die Längsaussteifung aus dem Primärtragwerk Holzhybrid und leitet die auftretenden Horizontallasten aus Wind, Stützenschiefstellung und Anpralllasten über die Stahlbetonwandscheibe (h = 30 cm) in Achse B’/1’ bis 2’ in den Baugrund ab (Abb. II‑7 und Abb. II‑8). Außerdem dient das Erschließungsbauwerk als notwendiges Fluchttreppenhaus der Brandschutzanforderung R90.
Werden die Parkgeschossebenen im Primärgebäude Holzhybrid aufgrund zukünftig andersartiger Mobilitätskonzepte bis auf die Erdgeschossebene rückgebaut und in diesen Ebenen die Ausbaustufen Wohnen oder Arbeiten eingebaut, werden die 60 mm dicken CPC-Platten der Ausbaustufe Parken (Abb. II‑14) zum Materiallager. In diesem Falle wird auch der Autoaufzug rückgebaut. In den dann freiwerdenden Flächen des Erschließungsbauwerks können die ausgebauten CPC-Platten im Sinne der Weiterverwendung in der Länge gekürzt und dann wieder eingebaut werden. Sie bilden so Deckenebenen, die als allgemein nutzbare Außenraumflächen für die Ausbaustufen Wohnen und Arbeiten genutzt werden können (Abb. II‑10). Die weiteren CPC-Platten des rückgebauten Deckenaufbaus der Parkebenen können außerdem als Estrichersatz in den dann folgenden Ausbaustufen Wohnen oder Arbeiten weiterverwendet werden (siehe Deckenaufbau BA3 im Kapitel Anhang B .- Boden-/Deckenaufbauten).
Ausbaustufen
Eine wesentliche Herausforderung war es, die lichten Raumhöhen der Ausbaustufen Parken, Arbeiten und Wohnen unter den Anforderungen Brandschutz, Schallschutz (Wohnen und Arbeiten) und Feuchteschutz (Parken) so anzugleichen, dass bei Änderung der Nutzung in einer Geschossebene kein Höhensprung zur Decke des Erschließungsbauwerks entsteht. Im Ergebnis haben sich nachfolgende Deckenaufbauten ergeben.
Ausbaustufe Parken
Die Ausbaustufe Parken ist dadurch geprägt, dass zum einen der Feuchtigkeitseintrag auf das Grundmodul Deckenelement aus BauBuche durch die Autos verhindert wird (Dauerhaftigkeit der Holzkonstruktion durch Primär- und Sekundärabdichtungen), zum anderen Fahrbahn und Parkplätze geneigt eingebaut werden müssen, um das kontrollierte Abfließen des Feuchteeintrags zu gewährleisten. Randbedingung war außerdem die Ausbauhöhe, die sich an den Ausbaustufen Wohnen und Arbeiten orientieren musste. Im Ergebnis wurde ein Parkdeck aus reversibel gefügten, elementierten und standardisierten, 60 mm dicken CPC-Platten entwickelt, die entlang der Querrichtung des Bauwerks in den Stützenachsen Hochkanten und mittig zwischen den Stützenachsen Tiefkanten ausbilden (Abb. II‑14).
Ausbaustufe Arbeiten
Die Ausbaustufe Arbeiten ließ sich im Ergebnis in unterschiedlichen Konfigurationen in dem definierten Raumgerüst abbilden. Die aus dem Parken resultierende Gebäudetiefe konnte sinnfällig genutzt werden. Die Erfüllung der Technischen Regeln für Arbeitsstätten hat sich als wesentlich für die Geschosshöhen des Holzhybrids erwiesen (Lichte Raumhöhe ≥ 2,75 m).
Ausbaustufe Wohnen
Für die Ausbaustufe Wohnen stellt sowohl die Gebäudetiefe von 16,10 m (Achsmaß), als auch die vertikale Leitungsführung (Technische Gebäudeausrüstung) eine Herausforderung dar. Im Ergebnis hat dies zu einer alternativen Wohnform mit privaten Räumen und Gemeinschaftsflächen geführt. Andere Wohnformen sind grundsätzlich möglich, diese wurden in Varianten untersucht.
Kreislauffähigkeit
Neben der Forderung der Langlebigkeit der Gebäude (Primärgebäude Holzhybrid und Erschließungsgebäude), welche durch die Nutzungsflexibilität erfüllt wird, stand die vollständige Kreislauffähigkeit des Primärtragwerks des Holzhybrids im Vordergrund. Diese wird maßgeblich durch eine zerstörungsfreie Rückbaubarkeit (Reversibilität) elementierter und standardisierter Baukomponenten und Bauelemente der Tragstruktur erreicht. Daher lag der Fokus auf der Erforschung weniger Grundelemente der Tragstruktur (Abb. II‑6 und Abb. II‑19), die bis in den Maßstab 1:1 ausführungsreif entwickelt wurden.
Die zerstörungsfreie Rückbaubarkeit (Reversibilität) wird durch formschlüssige Verbindungen erreicht. Das sind vor allem Konusdübel aus Kunstharzpressholz [G17] sowie Längsschubverbinder aus BauBuche [G18]. Beide Verbinder werden auf Abscheren beansprucht und durch Stahlschrauben, die in Einschraubmuffen fixiert sind, lagegesichert (Abb. II‑20).
Nach einer Auswertung von 600 Tragwerken [G19] verursachen Deckenkonstruktionen und Wandkonstruktionen (Innenwand und vor allem Außenwand) im Mittel unterschiedlicher Nutzungen ca. 64% der grauen Emissionen der Tragwerke. Betrachtet man zusätzlich den Anteil der Fundamentierung, werden bereits ca. 84% der durch das Tragwerk verursachten grauen Emissionen erzeugt. Um zukünftig diese grauen Emissionen nicht mehr zu erzeugen, muss daher jeder Neubau neben der Nutzungsflexibilität kreislaufeffektiv konstruierte Decken- und Wandkonstruktionen aufweisen. Außerdem ist die Fundamentierung auf ein Minimum zu reduzieren.
Im Fall des Primärtragwerks des Holzhybrids beträgt bezogen auf die Gesamtfläche aus Decken und Wänden (Innen- und Außenwände) die Summe der Flächenanteile aus den elementierten und standardisierten Holzdeckenkonstruktionen sowie die Flächenanteile der elementierten und reversiblen Außenwandkonstruktionen (Abb. II‑21) in der Nutzung Wohnen ca. 60% der Gesamtfläche, in der Nutzung Arbeiten ca. 80% und in der Nutzung Parken ca. 100%. D. h., dass der Hauptfokus kreislaufeffektiver und damit wiederverwendbarer Baukomponenten und Bauelemente in der Tragstruktur des Holzhybrids und in den Außenwandkonstruktionen liegen muss. Da die Innenwände nutzungsflexibler Bauwerke zusätzlich rückbaubar sein müssen, sind auch hier kreislaufgerecht wieder- und weiterverwendbare Baukomponenten und Bauelemente vorhanden.
BIM-Modell
Ein ganzheitliches BIM-basiertes Gebäudemodell wurde in Revit erstellt. Enthalten sind alle Daten zum aktuellen Planungsstand in Bezug auf die BIM-basierte Tragwerksplanung. Dies beinhaltet die Planung zu allen wesentlichen Bauteilen und Elementen (u.a. Stützen, Trägern, Deckenmodulen und Wänden). Es wurden parametrisierte Berechnungsmodelle zu diesen Bauteilen entwickelt und in das BIM-basierte Gebäudemodell integriert. Der zukünftige Lebenszyklus (inkl. Betrieb, Kaskadennutzung und Rückbau) wurde in das erstellte BIM-Modell aufgenommen. Das BIM-Modell wurde durch ein Tragwerksmodell (RFEM) ergänzt. Über eine direkte Schnittstelle (RFEM - Revit) erfolgt der Datenaustausch bidirektional. Die ganzheitliche BIM-Modellierung ist in Abb. II‑22 dargestellt.
Weiterhin wurden für wesentlichen Bauteile und Elemente parametrisierte, teilautomatisierte Berechnungsmodelle mithilfe von Dynamo und Excel entwickelt. Die Modelle dienen zur ganzheitlichen multikriteriellen Optimierung bezüglich der Tragfähigkeit, Bau- und Umbauprozesse, Baukosten, CO2-Bilanz und Kaskadennutzung. Auch wurde eine parametrisierte Verknüpfung mit dem entwickelten ganzheitlichen BIM-basierten Gebäudemodell geschaffen. Die Algorithmen können prinzipiell auch auf weitere Optimierungsaspekte übertragen werden.
Anschließend wurde in das BIM-basierte Gebäudemodell eine Option für einen Datentransfer auf einen RFID-Chip (Radiofrequenzidentifikation) integriert, da diese als Drahtlos-Technologie eine hohe Flexibilität verspricht. Alle im BIM-Modell hinterlegten Daten zu einem Bauteil oder Modul können damit erfasst, ausgelesen und separiert auf einem RFID-Chip gespeichert werden. Die so konfigurierten RFID-Chips können jederzeit geortet werden, sodass eine Überwachung und eine Optimierung des Baufortschrittes möglich sind. Zur Bauwerksüberwachung wurde ein Konzept zu Schwingungsmonitoring mithilfe von kostengünstigen und sensiblen Beschleunigungssensoren entwickelt.
Außerdem wurden umfangreiche VR-Simulationen mit diversen Softwareprogrammen durchgeführt. Dabei wurde getestet welche Parameter im VR-Raum realitätsnah dargestellt werden können und inwieweit eine virtuelle Bauwerksbegehung möglich ist. Mit dem Programm Enscape wurde ein 3D-Walkthrough erstellt. Eine Implementierung des Holzhybrides in Virtual Reality Anwendungen ist machbar und soll für den fertigen Gebäudeentwurf umgesetzt werden.
Fazit
Das Entwurfskonzept wurde bis ins konstruktive Detail unter Berücksichtigung der nutzungsspezifischen Anforderungen je Ausbaustufe, des technischen Gebäudekonzepts, des Brand-, Schall- und Wärmeschutzes durchgearbeitet, darüber hinaus wurden die Paramater der Kreislauffähigkeit auf allen definierten Hierarchieebenen angewandt.
Als Ergebnis kann festgehalten werden: Nutzungsflexibilität auf Gebäudeebene erfordert neue Typologien – kreislaufeffektive Gestaltung von Bauteilen, Bauelementen und Baukomponenten führt zu einer andersartigen Tektonik und architektonischem Ausdruck.
Teilvorhaben 2 – Verbindungstechnik
In einer Vorstudie wurden unterschiedliche Schraubentypen mit einem Durchmesser von 8 mm mit verschiedenen Einbindelänge in Buchen-Furnierschichtholz (Bu-FSH) und Fichtenholz eingebracht und für eine Dauer von bis zu sechs Monaten in einer Umgebung mit 20 % Luftfeuchte gelagert. In Bu-FSH konnten Schrauben ohne Vorbohrung nur bis zu einer Länge von 80 mm wieder ausgeschraubt werden. In Fichtenholz waren Vollgewindeschrauben ab einer Länge von 380 mm nicht mehr lösbar. Daher können Schrauben nur als bedingt lösbar betrachtet werden, insbesondere da keine Wechselbeanspruchung durch klimatische Veränderung oder einer Belastung berücksichtigt wurde, welche die Lösbarkeit von Schrauben erwartungsgemäß zusätzlich negativ beeinflussen.
Da Schrauben in vorgebohrten Löchern und kurzen Einbindelängen lösbar sind, wurde jedoch auch der Einfluss auf die Ausziehtragfähigkeit bei mehrfacher Verwendung von Schraubenkanälen versuchstechnisch untersucht und eine Reduzierung der Tragfähigkeit festgestellt.
Als alternatives stiftförmiges Verbindungsmittel wurde eine Verbindung basierend auf Holzbaumuffen entwickelt. Holzbaumuffen haben ein innenliegendes metrisches Gewinde und ein außenliegendes Holzgewinde. Herkömmliche Verbindungen bestehen neben der Muffe aus einer metrischen Schraube, welche für den Kraftschluss kopfseitig mit einer Unterlegscheibe gekontert wird. Die Tragfähigkeit und Steifigkeit der Verbindung wird daher durch die Tragfähigkeit und Steifigkeit der Muffe und der Querdruckfestigkeit und –steifigkeit des Bu-FSH beeinflusst. Um die geringe Querdrucksteifigkeit zu umgehen, wurde die Verbindung dahingehend weiterentwickelt, dass anstelle einer Unterlegscheibe unterhalb des Schraubenkopfes eine zweite Muffe ohne Innengewinde eingesetzt wird. Diese Verbindung wurde für den Anschluss der Deckenelemente an die Hauptträger (auch als Zangen bezeichnet) entwickelt. Um den Kraftfluss zu optimieren, wurde die Verbindung geneigt angeordnet, wodurch die Kraft aus dem Steg des Deckenelements direkt in den Steg des Hauptträgers eingeleitet werden kann. Da keine Werte für die Ausziehtragfähigkeit in Bu-FSH bekannt waren, wurde diese versuchstechnisch bestimmt und die Verbindung in Haupt-Nebenträgerversuchen untersucht. Neben guten Tragfähigkeits- und Steifigkeitseigenschaften tritt nach Erreichen der Höchstlast kein totales Versagen ein, weshalb die Verbindung als vielversprechende Alternative zu Schrauben eingestuft wird. Um die Verbindung auch für größere als in den Versuchen untersuchten Nebenträgerlängen zu bemessen, wurde zusätzlich die Drehfedersteifigkeit und die dadurch resultierende zusätzliche Verbindungsmittelkraft ermittelt. Weiterhin kann die Verbindung als lösbar betrachtet werden, da sich die Muffen auch nach 10 Monaten bei einer Lagerung in einer Umgebungsfeuchte von 20 % wieder ausdrehen lassen.
Zur Übertragung von Schubkräften wurde ebenfalls eine lösbare Variante entwickelt und mehrere Formen einer zimmermannsmäßigen Profilierung für zwei Anwendungsfälle untersucht: Als nachgiebiger Verbund für den Hauptträger sowie als schubsteife Verbindung der Deckenelemente untereinander. Anhand durchgeführten Diagonalscherversuche und einer numerischen Parameterstudie konnte als optimale Form eine Trapezform mit einer Trapezlänge von 40 mm, einer Einschnitttiefe von 5 mm und einem Einschnittwinkel von 70° ermittelt werden. Die Trapezform zeichnet sich im Vergleich zur Dreiecksform dadurch aus, dass Verbindungsmittel ausschließlich für die Lagesicherung benötigt werden. Für kurze Längen von bis zu 800 mm weist die Profilierung eine hohe Tragfähigkeit und Steifigkeit auf. Die durchgeführten Biegeversuche haben jedoch gezeigt, dass die Profilierung aufgrund von Fertigungstoleranzen beim Abbund keine Steigerung der Tragfähigkeit gegenüber nicht verbundenen Bauteilen erzielt. Bei einer Reihe konnte jedoch die Durchbiegung im Vergleich zu Bauteilen ohne Verbund um bis zu 50 % reduziert werden. Durch die unzureichende Genauigkeit beim Abbund ist der Einsatz der Profilierung für größere Längen nicht zielführend. Aufgrund der hohen Tragfähigkeit und Steifigkeit weist die Profilierung bei kurzen Verbindungslängen jedoch Potential auf.
Um Verformungen quer zur Faser in mehrgeschossigen Gebäuden zu umgehen, können vertikale Lasten mittels Stützen durch die Geschossdecken geleitet werden. Unter der Einhaltung der Plattformbauweise ist ein Längsdruckstoß erforderlich, welcher experimentell untersucht wurde. Ein Einfluss auf die Tragfähigkeit durch den Hirnholzstoß kann nicht beobachtet werden, jedoch reduziert sich die Längsdrucksteifigkeit um bis zu 31 % gegenüber einer durchlaufenden Variante. Die durch den Hirnholzschnitt bedingte Fasertrennung verursacht eine Schwächung im Holzgefüge, welche vermutlich ein frühzeitiges Ausknicken der Fasern begünstigt und zu der beobachteten Steifigkeitsreduzierung führt. Die teilweise deutliche Reduzierung der Steifigkeit und die Erhöhung des anfänglichen Schlupfes sind insbesondere bei mehrgeschossigen Gebäuden, bei welchen die Stöße in Reihe geschaltet sind, zu beachten.
Teilvorhaben 3 – Ökobilanzierung
Die Lebenszyklusanalyse des Wandelbaren Holzhybrides hat gezeigt, dass die Emissionen der Herstellungsphase den Lebenszyklus dominieren. Für den Ressourcenverbrauch ist dies logisch, für Indikatoren wie Treibhauspotential oder Primärenergiebedarf jedoch eher unüblich. Allerdings ist dieser Umstand durch die teilweise Nutzung als Parkhaus, und dem damit vergleichsweise geringen Energieverbrauch zu erklären. Das Treibhauspotential kann durch die Verwendung von Holzprodukten und damit einhergehenden Senken- und Speichereffekten reduziert werden, was pro Quadratmeter Nutzfläche zu einem relativ geringen Wert von 218 kg CO2-Äquivalenten führt (DIN konform 316 kg CO2-Äquivalente).
Mithilfe der vergleichenden Ökobilanzen des Wandelbaren Holzhybrides konnte differenziert dargestellt werden, auf welche Art die unterschiedlichen Bauweisen die Umweltauswirkung beeinflussen: Durch die Verwendung von umweltfreundlicheren Materialien (vorrangig Holzprodukte und Lehm) kann das Treibhauspotential verglichen zu einem Gebäude mit Stahlbetonkonstruktion deutlich reduziert werden (39%), was jedoch die Waldfläche, welche für die Holzproduktion des Wandelbaren Holzhybrides besetzt ist, verachtfacht und den Primärenergiebedarf um 49% steigen lässt. Der Gesamtmaterialeinsatz bleibt in etwa gleich. Im Gegensatz dazu, führt die Elementbauweise, welche bei Nutzungsänderung einen Umbau des Gebäudes ermöglicht, zu einer Reduktion aller Indikatoren durch einen geringeren Materialeinsatz (Treibhauspotential: 27%, Besetzte Waldfläche: 43%, Primärenergie: 42%, Gesamtmaterialaufwand: 31%). Weitere Einsparpotentiale ergeben sich, wenn die Rückbaubaren Elemente nach Lebenszyklusende wiederverwendet werden. Dabei spielt die Häufigkeit der Wiederverwendung eine entscheidende Rolle. Die Einsparpotentiale für das Treibhauspotential, Primärenergieaufwand, Gesamtmaterialaufwand und besetzter Waldfläche für eine einmalige Wiederverwendung in idealisierter Kreislaufwirtschaft liegen zwischen 11 und 40%, verglichen mit einer linearen Wirtschaftsweise. Nimmt man die Effekte von Holz- und Elementbauweise zusammen, kann das Treibhauspotential verglichen zu einem Gebäude mit Stahlbetonkonstruktion um 55 – 60% und der Gesamtmaterialeinsatz um 41-54 % verringert werden (je nach Annahme zur Zirkularität der Bauteilwirtschaft). Die besetzte Waldfläche würde sich jedoch verdoppeln bis vervierfachen (anstieg von 219 - 434 %). Je nach angenommener Zirkularität der Bauteilwirtschaft würde der Primärenergieaufwand ein wenig steigen (2%) oder sich um 21% reduzieren.
Aus diesen Ergebnissen kann gefolgert werden, dass bezogen auf das Treibhauspotential die Materialauswahl entscheidend ist. Durch eine reversible Bauweise können hier nur vergleichsweise geringe zusätzliche Einsparungen erzielt werden, da jene Bauteile, die gut rückbaubar sind, meist aus Holzprodukten bestehen und somit sowieso wenig CO2 emittieren. Allerdings ist die Rückbaubarkeit in der Lage, alle anderen Indikatoren zu senken und spielt eine sehr wichtige Rolle für die Ressourceneffizienz – besonders für den Rohstoff Holz. Das heißt, im Gebäudesektor können große Mengen CO2 eingespart werden, indem mehr Holz verwendet wird, und der dadurch steigende Druck auf die Wälder kann effektiv mit reversiblen Konstruktionen abgemildert werden.
Teilvorhaben 4 – Brandschutz, Technische Gebäudeausrüstung
Brandschutz / Schallschutz und Feuchteschutz im mehrgeschossigen Holzbau
Das zentrale Ergebnis der Forschung ist ein Musterbrandschutznachweis für das wandelbare Holzhybridgebäude für differenzierte Ausbaustufen. Um in der Gebäudeklasse 5 in Holzbauweise zu bauen, sind Abweichungen vom geltenden Bauordnungsrecht erforderlich. Diese wurden durch kompensatorische Maßnahmen bzw. durch die Ergebnisse der durchgeführten Brandversuche gestützt.
Der Feuchte- und Holzschutz aller maßgebender Bauteile wurde mit dem Glaser-Verfahren oder hygrothermischen Simulationen nachgewiesen. Auch die entwickelten Details sind bauphysikalisch geeignet. Eine Umnutzung und der damit einhergehende Austausch unterschiedlicher Elemente wurde berücksichtigt. Eine detaillierte Untersuchung des Schallschutzes war im Rahmen dieses Forschungsprojektes nicht vorgesehen. Aufgrund fehlender Versuchsdaten wurden die Eigenschaften verschiedener Bauteile lediglich mit Hilfe von Ingenieurmethoden abgeschätzt.
Insgesamt konnte nachgewiesen werden, dass die brand-, schall- und feuchteschutztechnischen Anforderungen durch Bauteile in Holzbauweise erfüllt werden und diese somit in wandelbaren Holzhybridgebäuden verwendet werden können.
Technische Gebäudeausrüstung nutzungsflexibler Grundrisse
Basierend auf thermodynamischen Gebäudesimulationen mit Hilfe der Software TRNSYS konnte für die drei Standort München, Mannheim und Potsdam der sommerliche und winterliche Wärmeschutz anhand eines aktuellen Wetterdatensatzes sowie für ein Zukunftsszenario mit dem Referenzjahr 2045 (Betrachtungszeitraum 2030 – 2060) nachgewiesen werden. Hierbei profitiert der Entwurf im Winter vor allem von seiner sehr guten thermischen Hülle und schafft es im Sommer durch natürliche Lüftung (inkl. Nachtlüftung) und ein außenliegendes Sonnenschutzsystem die Überhitzung im Sommer zu vermeiden. Hierbei spielt auch der Effekt der thermischen Speichermasse eine Rolle, welcher in Kombination mit einer Nachtauskühlung für ein Abfedern von Temperaturspitzen sorgt.
Darüber hinaus wurde ein Konzept für die Technische Gebäudeausrüstung entwickelt. Hierbei dominiert das Prinzip der Flexibilität in allen Gewerken: Abwasser, Lüftung, Heizung, Kühlung, Trinkwarmwasser, Kaltwasser, Elektroleitungen, Technikraum, Schächte sowie einer PV-Anlage. Das zentrale Element für die Flexibilität und Umbaubarkeit bildet hier ein vertikaler Technikschacht, welcher die TGA-Komponenten im Gebäude verteilt und somit horizontale Leitungen auf ein Mindestmaß reduziert. Um die Leitungen final auf den Stockwerksebenen zu verteilen, werden teils abgehängte Decken und teils Innenwände genutzt und so Durchbrüche durch die Hauptträger (Zangen) minimiert.
Projektbeteiligte des Verbundvorhabens
Teilvorhaben 1: Technische Universität Kaiserslautern (TUK)
Stephan Birk, Univ.-Prof. Dipl.-Ing. (TUK bis 31.03.21 / TUM)
Eva-Maria Ciesla, Dipl.-Ing.
Christina Jagsch, Dipl.-Ing.
Studentische Hilfskräfte:
Friedrich Brox
Markus Steigmann
Esther Wiens
Yannick Braun, M.Eng.
Jürgen Graf, Univ.-Prof. Dr.- Ing.
Reiner Klopfer, Dipl.-Ing.
Viktor Poteschkin, Dipl.-Ing.
Wenchang Shi, Dipl.-Ing.
Valentin Viezens, Dipl.-Ing.
Boris Dillmann, Dipl.-Ing.
Christian Flieger, M.Sc.
Konstantin Goldschmidt, Dipl.-Ing.
Cheng Lu, B.Sc.
Hamid Sadegh-Azar, Prof. Dr.-Ing.
Teilvorhaben 2: Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
Hans Joachim Blaß, Univ.-Prof. Dr.-Ing.
Sina Glattacker, M.Sc.
Teilvorhaben 3: Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Christian Buschbeck, M.Sc.
Stefan Pauliuk, Jun.-Prof. PhD
Teilvorhaben 4: Technische Universität München (TUM)
David Fochler, M.Sc.
Elisabeth Suttner, M.Sc.
Norman Werther, Dr.-Ing.
Stefan Winter, Univ.-Prof. Dr.-Ing.
Thomas Auer, Univ.-Prof. Dipl.-Ing.
Cécile Bonnet, Dipl.-Ing.
Christian Hepf, M.Sc.
Koordination des interdisziplinären Verbundvorhabens
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Jürgen Graf, Dipl.-Ing. Viktor Poteschkin, Dipl.-Ing. Valentin Viezens